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II.

Was mich antreibt

Da wundere ich mich selbst oft, weshalb ich immer wieder den Pinsel zur Hand nehme. Viel zu selten die Momente, in denen mir echtes Interesse begegnet, in denen es mich trifft, wenn mein Gegenüber Worte für das formuliert, was ich im Bild auszudrücken versuche. Wenn etwas hin- und hergeht. Von Kopf zu Kopf und von Herz zu Herz. Ich spreche nicht von Geld. Sondern von Austausch, Verständnis, Bereicherung. Ein bisschen würde ich auch gerne von Geld sprechen, weil das ja jeder Mensch braucht. Aber vor allem sind solche Momente zu selten gesät, in denen es mich mitten ins Herz trifft. Dass das, was ich tue, anderen Seelen Nahrung bringt.

Weshalb also schon wieder der Pinsel? Terpentingestank und kalte Luft. Erst die richtigen Farben aussuchen. Ja, natürlich beglückt es mich auch, wenn der Pinsel etwas tut, worüber ich erstaunt bin.Wenn da etwas vor mir sichtbar wird, was zuvor noch nie da war. Ein Wischer mit verdünntem Etwas und noch einer und noch einer, und dann ist was auf der Leinwand oder auf dem Holz oder Papier, was irgendwie entzückt, berührt oder verstört. Aber auch das allein ist es nicht, weshalb ich immer weiter mache.

Objektiv betrachtet ist es ein relativer Wahnsinn, was ich als Malerin betreibe. Eine Tätigkeit muss sich lohnen, eingebunden sein in das übliche gesellschaftliche Geschehen und entsprechend entlohnt werden. Und wenn sie schon nicht direkt nützlich ist, dann sollte sie wenigstens sinnstiftend sein. Oder so ähnlich.

Und ich forsche mit dem Pinsel an Bildern, die es zur Genüge gibt. So viel zur Genüge, dass man sie selbst nicht mehr malen müsste. Künstliche Intelligenz könnte das längst für mich machen. Oder eine Malmaschine. Konzeptuell könnte ich über das Malen hinweg denken und andere Formen des Kunstschaffens finden. Aber nein, es muss immer mit Farbe und diesen paar borstigen, unkontrollierbaren Haaren am Pinsel zu tun haben. Und mit dem Sehen. Was mache ich da also.

Es genügt mir nicht, in zugigen Gassen einer Stadt zu spazieren oder mit der flachen Hand über die ersten Spitzen vom Gras im Vorfrühling zu streifen. Oder die Kinder zu knuddlen, mich an der Bushaltestelle zu langweilen, den Sonnenuntergang zu entdecken und Gänsehaut zu spüren. Die tanzenden Schatten am Boden, die Farben des Waldes, Gesprächsfetzen in Dialekt. Menschen gewogen zu sein. Es genügt mir nicht, die Finger über die Tasten gleiten und meinem Kopf freien Lauf zu lassen. Die Füße im Matsch, die Augen in der Luft. Es genügt mir nicht, das alles zu sehen, riechen, zu erfassen. Es ist doch einfach der Pinsel mit der Farbe darauf, der das alles malen kann. Was der Welt und meinem Erleben entspricht.

Bin ich immer so betroffen und unendlich weit und mir selbst so nah, wenn etwas wohl zum Ausdruck kommt. Verständlich, klar, neu, verrückt. Und so kann ich nie damit aufhören und fange immer wieder von Neuem an. Das treibt mich an. Stets voller Sehnsucht, das Erfahrene zu begreifen und ihm neuen Ausdruck zu verleihen.

19.Januar 2023

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