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I.

Malerei

Kürzlich unterhielt ich mich mit einem Malerkollegen. Verschiedenes, über unsere Arbeit, eine geplante Ausstellung. Und plötzlich nahm das Gespräch Fahrt auf, als es um Malerei ging. Nicht um den Begriff Malerei als Kategorisierung beispielsweise in Abgrenzung zur Bildhauerei oder Fotografie. Auch nicht um Malerei in dem Sinn, dass sie etwas zeigt oder darstellt. Sondern Malerei in einer Bedeutung, wie eigentlich nur Maler*innen untereinander darüber sprechen. Mit einem Schlag gab es so ein feines unsichtbares Band zwischen uns, das uns begeisterte und zu Komplizen machte. Das Gespräch wurde schneller und dichter, die Herzen klopften.

Wir verstehen Malerei als etwas von der eigentlichen Technik Unabhängiges. Die Bezeichnung jemand sei „ein Maler/ eine Malerin“ ist eine Aufwertung, ein Qualitätsmerkmal. Setzt man das Attribut „gut“ davor, sind die Erwartungen fast ungeheuerlich. Heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass jemand beispielsweise ein bestimmtes Motiv besonders treffend malen würde. Oder sehr genau oder absolut ungenau oder gestisch. Malerei benötigt kein Adjektiv. Ein Maler/ eine Malerin zu sein bedeutet, ein Bild nicht nur zu malen, sondern die Malerei als solche zu verehren und ihr eine Eigenständigkeit zuzugestehen. Ich könnte ein Bild auch ganz besonders schlecht, linkisch, schlampig oder übertrieben genau malen und dennoch eine gute Malerin sein.

Die meisten Leser*innen hören an dieser Stelle wahrscheinlich auf, weil diese Kategorisierung vielleicht abwegig und unverständlich klingt. Malerei ist es doch, wenn Farbe mit einem Pinsel aufgetragen wird. Oder vielleicht noch gesprüht, mit dem Finger verschmiert wird. Rakel, Rolle, alles was ein Bild erzeugt. Und dies ist das Interessante: die meisten Menschen denken, dass Malerei dazu gut sei, ein Bild zu schaffen – auf dem man entweder etwas erkennen kann oder das einen eindeutigen Kontext vermittelt. Damit wäre das Bild als Motiv das Endprodukt und als solches erstrebenswert. Doch Maler*innen untereinander würden nicht von dem Bild im piktoralen Sinn sprechen, sondern von der Malerei an sich. Da kommt es nicht so sehr darauf an, was darauf zu erkennen ist. Oder ob überhaupt etwas darauf erkennbar ist.

Unter Malerei verstehen wir Maler*innen eine Haltung. Eine Selbstvergessenheit beim Malen. Eine Versunkenheit ohne Zielvorstellung. Ehrfurcht, Anstrengung und Leichtigkeit gleichermaßen. Eine staunende Präsenz ohne Kontrolle. Eine Haltung, die einen unbewusst suchenden, interessierten, vielleicht ergebnisoffenen Pinselstrich zulässt. In jedem Fall bedeutet Malerei, dass es eine Beziehung gibt zwischen Malendem*r und Gemaltem.

Wie? Eine Beziehung zwischen einer tätigen Person und dem was sie tut? Ja. Nur so kann ich reagieren auf das, was ich tue. Kann reflektieren. Und bin nicht meiner wie auch immer gearteten Vorstellung unterworfen. Einem So-muss-es-sein-und-nicht-anders. Die interessierte Offenheit demgegenüber, was da auf der Leinwand oder dem Papier passiert, spiegelt sich im fertigen Bild wieder. Es gibt den Betrachtenden Freiheit. Dann kann Malerei in unserem Sinne auch beim Betrachten des Bildes stattfinden und nicht nur in der Fertigstellung.

Historisch gesehen bedeutet Malerei auch immer die Vermittlung eine piktoralen Botschaft bzw. eines Kontextes. „Was möchte uns der Maler damit sagen“? Als ob man einen Kosmos in einfache Erklärungen herunter brechen könnte. Ich möchte ein Plädoyer dafür aussprechen, dass Malerei eben für diese Ebenen steht, die nicht (so gut) in Worte zu fassen sind. Die auf ganz anderen Ebenen Sendungen bereit halten. Malerei ist ein anderer Spiegel als das Motiv. Einer, der direkter, unmittelbarer auf die Betrachtenden wirken kann.

07.Dezember 2023

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