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VII.

Kunst und Kinder

Die Socken müssen in die Wäsche. Der Kleine hat Wasser verschüttet. Was zuerst, Flasche wegnehmen, Boden wischen, Tränen trocken. Eine neue Hose holen. Oh, ich verstehe, du magst dich jetzt nicht umziehen lassen. Meine Brille noch ungewaschen, alles trüb. Ich selbst erst rudimentär angezogen. Seit einer halben Stunde sollten die Kinder in der Kita sein und ich im Atelier, dort weiter machen, wo es gestern gut war. Farbflächen entstehen lassen, verändern, neue Welten schaffen. Bilder. Das andere Denken vor meinen Augen. Mich vergnügen im aktiven Sein. Nein. Die Große hat noch keine Jacke an. Jetzt rennen beide lachend durch die Wohnung und werfen die nasse Hose in hohen Bögen. Wut und all meine anderen Pläne für den Tag im Kopf und im Bauch.

Ja, ich bin Künstlerin, und ja, ich habe zwei Kinder. Also Teilzeitkünstlerin. Die Muse küsst nur noch ab und zu. Da habe ich mich in eine Situation hinein manövriert, die ich noch vor einigen Jahren mit Abscheu, gerümpfter Nase und steifem Hals betrachtet habe – nein besser gleich weggeschaut habe. Im Gegensatz zu meinen Freundinnen hatte ich nie einen Kinderwunsch. Hatte vor allem den Wunsch Bilder zu schaffen, ihnen Raum zu geben sich zu entwickeln. Der Wirklichkeit einen Spiegel vorzuhalten. Doch dann kamen mir irgendwie der richtige Mann und ein paar Hormone dazwischen. Und jetzt hänge ich im Spagat über diesem Gletscherspalt, der das Feld Selbstverwirklichung vom Feld Selbstaufgabe trennt. Oder die Freude am Beruf von der Freude am Nachwuchs. Angeblich geht ja beides. Irgendwann schmelzen die Gletscher sowieso. 

Wir versuchen los zu kommen. Die Kinder in die Kita und ich ins Atelier, um nicht über diesen Spalt nachdenken zu müssen. Zwei mit Energie angefüllte kleine Wesen ohne Zeitgefühl. Die Hose wird jetzt angezogen. Ja ich weiß, barfuß laufen ist ganz toll, aber später. Ich helfe dir gerne. Weg ist er. Was für eine Mama möchte ich sein? Natürlich die Selbstständigkeit der Kinder fördernd. Aber nicht jetzt. Die frische Hose wird unter Protest angezogen.

Ach ja, bei der Post muss ich noch vorbei. Brief einstecken. Mama schau! Das Bild von gestern im Atelier mit dem tiefen blauen Hintergrund schiebt sich eine Sekunde lang vor mein inneres Auge. Die Große hat sich die nasse Hose des Bruders über den Kopf gezogen, die Beine baumeln wie Zöpfe herab. So kann sie gut trocknen. Da lacht sogar die Mama kurz.

Szenenwechsel. 6 Stunden später. Wir sitzen zu dritt auf dem Sofa. Ein Knäuel aus dicken Beinen und Armen, sehnige Finger in meinen Haaren. Wo darf ich zuerst hin küssen. Kitzeln lachen. Glück in allen Poren. Die Brösel vom Frühstück auf und unter dem Tisch sind egal, das vermasselte Bild im Atelier auch. Nix wollte sich so hinbiegen lassen, wie sich das mein verplanter Kopf vorgenommen hat. Alltag, ein großes Schlachtfeld der Inspiration.

15.Mai 2019

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